
METROPOLIS Elbphilharmonie Hamburg
Fritz Lang: Metropolis
Elbphilharmonie Großer Saal
Ensemble Modern
Dirigent: Martin Matalon
Klangregie: Norbert Ommer
Vielleicht ist es das größte Kompliment für einen Filmemacher, wenn die Ideen
und Visionen, die ursprünglich nur für den fiktionalen Moment erdacht wurden,
tatsächlich Wirklichkeit werden. So ist es Fritz Lang widerfahren, als er anlässlich seines Films Frau im Mond den Countdown erfand:
”Als ich das Abheben der Rakete drehte, sagte ich mir: Wenn ich eins, zwei, drei, vier, zehn, fünfzig, hundert zähle, weiß das Publikum nicht, wann die losgeht. Aber wenn ich rückwärts zähle, zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, NULL! - dann verstehen sie”.
Aus heutiger Sicht eine scheinbar banale Idee, und doch offenbart sie bereits
die gestalterische Kraft, die Langzeit seines (Film-) Lebens ausmachte. Noch heute, über 40 Jahre nach seinem Tod, überbieten sich die Kritiker und Filmhistoriker geradezu mit Bezeichnungen und Attributen in Bezug auf Fritz Lang. Da ist etwa vom Titanen der Leinwand zu lesen (Die Zeit), vom Meister-Regisseur
(Der Spiegel), oder, wie es der französische Kollege Jean-Luc Godard einmal auf eine kurze Formel brachte: Er ist das Kino.
Der Regisseur selbst nahm für sich in Anspruch, der Rembrandt des Kinos zu werden, was wohl vor allem in Bezug auf die aufwendigen Bauten, das detailreiche Dekor und das Spiel mit Licht und Schatten zu verstehen ist.
Ohne Frage, Fritz Lang war nicht nur einer der visionärsten Köpfe im deutsch-
sprachigen Filmgeschäft, sondern einer der bedeutendsten Regisseure der Kino-
geschichte überhaupt. ”Er war ein Pionier, der gleich zu seinen Anfängen in der
Stummfilmzeit so ziemlich alle Genres erfunden hat, die das Kino bis heute
prägen”, schreibt Volker Schlöndorff im aktuellen Elbphilharmonie Magazin über seinen einstigen Mentor. Und die Liste ist lang Neben monumentalen Epen wie
”Die Nibelungen” (1924), nervenaufreibenden Krimis wie ”Dr. Mabuse” und
anspruchsvollen Kunstfilmen wie ”Der müde Tod”(1921) war es vor allem das
Science-Fiction-Genre, das Lang mit visionären Meisterwerken wie ”Metropolis”
(1927) und ”Frau im Mond” (1929), die nun beide um Rahmen des Musikfests zu
sehen (und dank neuer Musik auch zu hören) sind, quasi im Alleingang erfand.
Besonders ”Metropolis” ging in die Filmgeschichte ein-und zwar nicht nur, weil
er als einer der damals teuersten Filme die UFA fast in den Ruin trieb, sondern vor allem dank seiner technischen Innovationen und visionären Ideen, die bis heute aktuell scheinen. Der Film, der auf einem Drehbuch von Thea von Harbou basiert-Langs zweiter Ehefrau und neben Leni Riefenstahl eine der bedeutendsten Frauendes frühen deutschen Films-, entwickelt die komplexe Geschichte einer ausgeprägten Zweiklassengesellschaft in einer futuristischen Großstadt. In hohen
Türmen lebt eine Oberschicht in absolutem Luxus, während die Arbeiterklasse
unter der Erde an riesigen Maschinen für den Gewinn der Reichen schuftet. Sogar die Uhren ober-und unterhalb der Erde ticken unterschiedlich: Während der Tag
der Reichen 24 Stunden umfasst, haben die Arbeiter nur 20 Stunden zur Verfügung, von denen sie exakt die Hälfte der Zeit die Maschinen bedienen. Doch es kommt, wie es kommen muss: Freder, ein Junge der oberen Klasse-und noch dazu der Sohn des Alleinherrschers von Metropolis, Joh Fredersen-, verliebt sich
in Maria, einem Mädchen aus der Unterschicht, und beginnt, die Verhältnisse
infrage zu stellen...
Fritz Lang setzte diese Story mit einem immensen Aufwand in Szene, wobei er alle tricktechnischen Möglichkeiten seiner Zeit einsetzte. Zur zeitaufwändigen Stop-Motion-Technik vermerkt beispielsweise Kameramann Günther Rittau, dass für die Einblendung der Hauptverkehrsader der Stadt rund 300 Modellautos nach
jeder Einzelbildaufnahme um Millimeter bewegt werden mussten: Acht Tage
Arbeit für zehn Sekunden Film. Für die Produktion von Metropolis
wurde 1926 im heutigen Babelsberg eigens das bis dahin größte
Filmatelier in Europa errichtet, in dem auch heute noch gedreht
wird. Für die Architektur, die an das damalige New York erinnert,
wurden 500 Modelle von Wolkenkratzern mit bis zu 70 Stockwerken gebaut;
zudem kamen insgesamt 27.000 Komparsen zum Einsatz. Insgesamt verschlang der Dreh 310 Tage.
Trotz seines heute unumstrittenen Ranges fiel ”Metropolis” beim
zeitgenössischen Publikum durch und wurde ein finanzielles Fiasko.
Dies führte zu zahlreichen Umarbeitungen und Kürzungen, die den Film und seine Geschichte aber eher entstellten und im Kino folgerichtig ebenfalls nur mit müßigem Erfolg liefen. Große Teile des Originals wurden in diesem Zuge vernichtet und galten lange Zeit als verschollen.
Seit 1961 wurden mehrfach Versuche unternommen, die Originalfassung wiederherzustellen. So ersetzten in einer Rekonstruktion von 2001 etwa Standbilder und Kommentartexte das fehlende
Material. In dieser Form wurde der Film als erster Überhaupt ins
Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen. 2008 kam es
dann zu einem Sensationsfund in Buenos Aires, wo eine bis dahin
unbekannte Kopie des Originals entdeckt wurde, mit deren Hilfe
die Lücken weitgehend gefüllt werden konnten. Diese nun fast
vollständig restaurierte Fassung feierte im Februar 2010 ihre
Premiere bei der Berlinale und in der Alten Oper Frankfurt und kam
anschließend noch einmal in die Kinos. Daraufhin überarbeitete
auch Martin Matalon seine 1995 für ”Metropolis” angefertigte
Filmmusik noch einmal.
(Auszug aus dem Programmheft von Simon Chlosta)
Bei dem Werk ”Metropolis” von Fritz Lang mit der Musik von Martin Matalon
habe ich versucht eine spezielles Sounddesign für die Elbphilharmomie zu entwickeln.
Hierbei ging es mir darum, einen Surround Sound im Raum zum Film und der Livemusik (alle Instrumente werden verstärkt) darzustellen.
Die Grundidee war, welche ich auch umgesetzt habe, die Raumakustik zu nutzen
und mit Ihr zu arbeiten, sowie sich die Geometrie des Raumes als Klangquelle zu Eigen zu machen.
(Norbert Ommer über das Sounddesign)
”Eine insgesamt sehr gelungene Performance mit exzellentem Sound, was man leider eher selten in der Elbphilharmonie erlebt”, so ein
Hörerzuschrift nach dem Konzert.
Die Tageszeitung ”Die Welt” schrieb von der ”enormen Präzison neuer Klangwelten“.
Das Hamburger Abendblatt sieht es so: ” Perfekt verbindet sich der
expressionistische Soundtrack mit dem restaurierten Bild.”