Milleniumstart in der Kölnarena

Über den kulturellen Stellenwert einer Veranstaltung, wie sie zu Jahresbeginn als Neujahrskonzert 2000 in der Kölnarena stattfand, mag man geteilter Meinung sein; unter künstlerischem Aspekt war sie vielleicht nicht zu den Highlights zu rechnen, als Event war sie durchaus gelungen: Erstmalig saßen die beiden Kölner Symphonieorchester (das WDR Sinfonieorchester Köln und das Gürzenich-Orchester) gemeinsam auf einem knapp 300 qm großen Podium im Oval der Kölnarena, umringt von 7500 Zuhörern, wobei sich die ca. 160 Musiker nicht etwa zu einem Mega-Orchester vereinten, das sich von einem Dirigenten leiten ließ, nein, sie saßen Rücken an Rücken mit Blick auf ihre jeweiligen Chefs (das sind Seymon Bychkov und James Conlon). Die Orchester spielten nicht nur abwechselnd, etliche Programmpunkte des Abends spielten sie auch gemeinsam, die Dirigenten standen sich in ca. 20 m Entfernung gegenüber, hielten konzentrierten Blickkontakt und gaben gemeinsam den Takt an. So hatte man das eher seltene Erlebnis, zwei Dirigenten von ganz unterschiedlichem Temperament bei ihrem (weitgehend) synchronen Dirigat beobachten zu können. In der Führung wechselten sie sich titelweise ab, die Soli der Bläser wurden mitunter auch innerhalb eines Stückes im Wechsel von den Spielern beider Orchester bestritten.

Ein populär-schmissiges Programm unterstrich den Show-Effekt der Veranstaltung, und es gab auch Überraschungs-Effekte: So detonierten in Tschaikowskys "Ouvertüre 1812" 11 Kanonen, die an den Flanken der Orchester positioniert waren, und zwar auf den Schlag: den Knall löste der Schlagzeuger aus, für das zeitgleiche Feuer sorgte der Celestaspieler.

Wenn es auch ein doppelt besetzter Klangkörper war, der hier aufwartete, die Kölnarena (ca. 18.000 Publikumsplätze) ist kein Konzertsaal. Hier finden Popkonzerte, Shows, Eisrevuen statt; ohne PA-System ist eine Veranstaltung in solch einer Halle nicht durchzuführen, wobei gerade die Kölnarena, erst 1998 in Betrieb genommen, bekannt ist für ihre problematische Akustik.

Schon im Sommer 1999 besuchten die Verantwortlichen des WDR und der Kölnarena eine Klassikveranstaltung in Weimar auf einer der größten Bühnen Europas, einer Open-Air Bühne. Betreut wurde die Veranstaltung von Norbert Ommer und Hanns Hommen (CRYSTAL SOUND), jenen Kollegen, denen man auch das Neujahrskonzert anvertrauen wollte. Auf dem Programm stand die 2. Symphonie von Gustav Mahler mit 172 Musikern und einem 225 Stimmen starken Chor. Der große Erfolg dieser Veranstaltung hinsichtlich des Sounddesigns überzeugte.

Daß sich mit einem auf die Kölnarena modifizierten Beschallungskonzept auch in dieser Halle Konzerte mit Symphonieorchester erfolgreich durchführen lassen, demonstrierten die Firmen Crystal Sound und Event Horizon während einer eigens anberaumten Probe, zu der beide Orchester zur Verfügung standen und für die ein komplettes PA-System installiert wurde.

Das Ergebnis konnte sich hören lassen. Der Höreindruck in den Rängen war durchweg ausgeglichen. Zu hören war ein ausgewogenes, rundes Klangbild, das über Lautsprecher die Halle erfüllte, in einer dem Programm angemessenen Lautstärke. Angenehm fiel auf, daß den Streichern nicht anzuhören war, daß jedes einzelne Instrument nur wenige Zentimeter über dem F-Loch abgenommen wurde. Die Musiker fühlten sich beim Spielen wohl und konnten sich über das Monitorsystem gut hören, es waren keine separaten Bühnenmonitore aufgestellt.

Und doch war hin und wieder zu hören, welche akustischen Probleme die Kölnarena aufwirft, wenn beispielsweise Perkussion im Einsatz war; die Trommelschläge in Ravels "Bolero" flatterten nur so im Rund der Arena. Diesen Direktschall kann auch eine gute Beschallung nicht eliminieren.

Die Aufgabe des Tonmeisters für das Neujahrskonzert hatte, wie gesagt, Norbert Ommer übernommen, der bereits mehrfach mit großen Symphonieorchestern im Rahmen von Open-Air Veranstaltungen zusammengearbeitet hat. Neben der erwähnten Veranstaltung in Weimar im vergangenen Jahr z.B. auch mit dem Orchester der Bayerischen Staatsoper unter der Leitung von Zubin Mehta auf dem Münchner Max-Joseph-Platz vor der Staatsoper (vor ca. 15.000 Zuhörern, mit Verdis "Rigoletto" und auch Mahlers 2. Symphonie).


Interview mit Norbert Ommer

Bruns: Herr Ommer, die Kölnarena ist bekannt für ihre problematischen akustischen Verhältnisse. Sie haben im Oktober eine Beschallungsanlage in der Kölnarena installiert, um in einer Probe mit beiden Orchestern zu demonstrieren, daß ein guter Sound in der Halle realisierbar ist. Sie hatten bereits bei dem Proben-Setup kaum die Möglichkeit, verschiedene Konfigurationen zu testen. Auch für das Konzert selbst war die Vorbereitungs- und Probenzeit äußerst knapp bemessen (bis 4.00 Uhr morgens spielte die Kölner Gruppe Black Fööss in der Halle, die Probe mit den beiden Orchestern fand von 14.00 bis 17.00 Uhr statt, incl. der Orchesterpausen). Erfahrung allein reicht sicher nicht aus, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Wie haben Sie das Projekt vorbereitet, um es in so kurzer Zeit zu realisieren?

Ommer: Was Sie im Bezug auf die Vorbereitungszeit sagten, ist sicherlich richtig. Dies gilt im besonderen, wenn man sich einige Grundparameter vor Augen führt:
- Das zu beschallende Auditorium verfügt über ca. 18.000 Zuschauerplätze.
- Zwei Symphonieorchester sitzen Center Stage (d.h. in der Mitte der Arena), bei einer Bühnenabmessung von 17 x 17 Metern.
- Wir haben zwei Symphonieorchester, die Rücken an Rücken musizieren (z.B. den "Bolero" von Ravel).
- Es werden keine akustischen Zusatzmaßnahmen ergriffen.
- Es sind 187 Mikrofone zu installieren.
Die Durchführung einer solchen Produktion ist nur möglich mit einem sehr guten Team, perfektem Equipment sowie einer hervorragenden Vorplanung. Grundvoraussetzung einer solchen Planung ist jedoch eine enorme Erfahrung mit genau dieser Art von Aufgabenstellung.

Wer hat das Konzept erstellt?

Die Konzeption des PA-Systems wurde in Zusammenarbeit mit den Firmen Crystal Sound und Event Horizon (hier konnte man insbesondere auf die Spezialkenntnisse von Bernd Reichert über die Kölnarena zurückgreifen) sowie dem Lautsprecherhersteller d&b erstellt. Die enorme Erfahrung mit der beschriebenen Aufgabenstellung habe ich mir seit einigen Jahren zusammen mit Hanns Hommen (Crystal Sound) erarbeitet. Aus dieser fruchtbaren Zusammenarbeit wird in diesem Jahr auch eine gemeinsame Produktionsfirma entstehen, die den verheißungsvollen Namen for your ears tragen wird.

Die Lautsprecher waren ca. 5 m über dem Orchester im Oval aufgehängt. Wie waren sie ausgerichtet, wie war die Zuordnung?

Ja, in diesem Fall täuschen die ungewöhnlichen Dimensionen der Halle, die Lautsprecher hingen auf einer tatsächlichen Höhe von ca. 10 m (Unterkante) entlang der Bühnenvorderkante.
Darüber hinaus gab es aber auch noch Lautsprecher (Teil der Hausanlage), die wesentlich höher in der Halle installiert waren. Jeder Lautsprecher war einer bestimmten Zuhörerzone zugeordnet, entsprechend seiner Leistung und seinem Abstrahlverhalten.

Es bestach neben der nur zu ahnenden technischen die offensichtlich gute organisatorische Vorbereitung; so lagen in einem Extraraum auf einem großen Tisch Ansteckmikrofone, es waren etwa 80 Stück, für Geigen und Bratschen bereit, durch Markierungen genau gekennzeichnet. Bereits im Vorfeld hatte Martin Hildebrand (Event Horizon) in den Orchestern Aufklärungsarbeit geleistet, indem er Orchesterproben besuchte und die Musiker im Umgang mit dem Ansteckmikrofon vertraut machte. Bei den Musikern gab es dann auch keine Bedenken um das Instrument, als die Mikrofone am Saitenhalter montiert wurden, einige Instrumentalisten führten diese Montage sogar selber durch. Wie haben Sie mikrofoniert, und wie die Unmengen an Mikrofonwegen am Mischpult bewältigt?

Ungewöhnliche Räume bedingen ungewöhnliche Maßnahmen. D.h. für die Mikrofonierung haben wir uns von der klassischen Art und Weise, ein Symphonieorchester zu mikrofonieren, gelöst und ein so genanntes "closemiking" verwendet. Bei dieser Art der Mikrofonierung wird jedes Instrument mit einem Mikrofon versehen. Um nicht 187 Mikrofonkanäle am Saalregiepult verarbeiten zu müssen, haben wir alle Streichinstrumente in der Nähe der Bühne vorgemischt. Das hatte zur Folge, daß nur noch 85 Mikrofone von mir gemischt werden mußten. Hierzu wurden zwei analoge Konsolen verwendet, die über bestimmte Funktionen miteinander gekoppelt werden können, um ein elegantes Arbeiten zu ermöglichen. Es wurden folgende Mikrofone verwendet: 45 x Schoeps MK41; 31 x Schoeps MK4; 44 x DPA 4061; 28 x BD MCE5; 16 x AKG414; 10 x U87; sowie einige dynamische Mikrofone zur Kommunikation.
Mit Hilfe dieser Mikrofonliste wird auch deutlich, daß nicht nur eine große Menge von Mikrofonen verwendet wurde, sondern daß auch deren Qualität unvergleichbar ist. Glücklicherweise hat Hanns Hommen in den letzten Jahren auf Grund der gemeinsamen Arbeit und der anspruchsvollen Projekte viel in erstklassige Mikrofontechnik investiert.

Wozu wurden die verschiedenen Computer bei der Klangregie verwendet?

Die von uns beim Konzert verwendeten Computer hatten folgende Aufgabe:
- Signalverteilung
- Entzerrung
- Zeitverzögerung
- Akustische Messung über Frequenz, Schalldruckpegel und Zeit
Für die Zuordnung der Mischfeldausgänge auf bestimmte Lautsprecher oder Lautsprechergruppen wurde das BSS SOUNDWEB verwendet. Mit dem gleichen System wurden auch die Lautsprechersysteme über der Frequenz (EQ) an den Raum angepaßt sowie deren Verzögerungszeit (DELAY) eingestellt. Während des Konzertes haben wir mit Hilfe des SIM-Systemes von MEYER SOUND LAB. Messungen über Frequenz, Schalldruckpegel und Zeit an verschiedenen repräsentativen Zuhörerorten durchgeführt.

VDT Aktuell, Gisela Bruns, 2000/II