Alter Meister
Ensemble Modern plays Zappa - a selection of works, mit dem Ensemble Modern unter der Leitung von Jonthan Stockhammer, Omar Ebrahim und David Moss, voice
Barock- und Renaissancemusiker sind so etwas ja gewöhnt: Aus lückenhaften Informationen sich die Werke der alten Meister zusammenzusetzen, Instrumente zuzuordnen, sie gewissermaßen für die Aufführungspraxis erst zu gewinnen zu müssen. Für die Musiker des Ensemble Modem aber war diese Art Quellenforschung Neuland, und die ungewohnte Frage nach der Aufführungspraxis stellte das Frankfurter Spezialistenensemble vor ein Problem, das so komplex ihnen noch nie begegnet war. Es geht um Frank Zappa, bei dem man stets das kleine hochgestellte "R" hinter seinem Namen mitlesen muss, denn Zappa ist längst eine "registered trademark" und der Zappa Family Trust ein penibler Schützer von dessen musikalischem Erbe. Die Werke, die das Ensemble Modem sich vor vier Jahren für ein Konzertprogramm erarbeitete und die jetzt auf CD erschienen sind, hatte allerdings Frank Zappa selbst schon unangenehm gut geschützt: Er hatte sie ab den 1980er-Jahren auf einem so genannten Synclavier eingespielt, einem Musikcomputer, der damals "state of the art" war - dem man heute allerdings sein gespeichertes Datenwissen nur mehr schwer entlocken kann. Zum Synclavier musste der 1993 gestorbene Kultkünstler als eine Art Notlösung gegriffen haben. Ursprünglich hatte er eine orchestrale Musik im Sinn, er experimentiert" mit dem London Symphony Orchestra, doch, wie seine Biografie Auskunft gibt, ohne rechten Erfolg. Konventionelle Orchester konnten Zappas vom Rock her kommende, merkwürdig zwischen U und E pendelnde Kunst weder verstehen noch umsetzen.
Kurz vor seinem Tod kam Frank Zappa dann mit dem Ensemble Mode zusammen, die Frankfurter trugen maßgeblich dazu bei, dass der Ex-Rocker auch von den E-Zeitgenossen ernst genommen wurde. Für das Ensemble erstellte nun Ali N. Askin aus den Synclavier-Dateien Arrangements, durch die Zappa-Werke mit traditionellen Instrumenten spielbar werden. Und Norbert Ommer, der Klangregisseur des Ensembles, hat diese Ensemblemusik wiederum digitalisiert, eben für die CD. Dabei ging man allerdings nicht den sicheren Weg, jede Stimme getrennt aufzunehmen, sondern Ommer hat eine Live-Situation aufgenommen - und das mit bis zu 80 Spuren.
Das Ergebnis ist verblüffend, nicht zuletzt wegen des extrem natürlich wirkenden Klangraums. Was Zappa auf seinem Synclavier ohne spieltechnische Grenzen ablaufen lassen konnte, wenn auch kühl und leicht steril, klingt in der instrumentalen Fassung nun leichtgängig, oft schwebend und sagenhaft präzise. Man hört die Charakteristika der einzelnen Instrumente (klassische wie auch Rockband typische), man hört Farben, mal den Raum, es lebt. Kernstück der CD ist die ausgelassene Minioper Adventures of Greggery Peccary, das am aufwändigsten besetzte um kontrastivste Werk. Und es ist dasjenige, das Frank Zappa am deutlichsten als einen Komponisten zeigt, über den die Nase zu rümpfen, niemand sich trauen sollte. Auf jeden Fall ist er der Komponist, mit dem das Ensemble Modern bislang die meisten CDs an beide Fankreise absetzen konnte - das kurz vor Zappas Tod realisierte gemeinsame "Yellow shark"-Projekt führt die Verkaufsliste mit Abstand an. Doch so wie dieses Album klingt, dürfte sich der Erfolg fortsetzen.
Neue Musikzeitung, Stefan Schickhaus, 02/2004