Der Ursprung des Klangs

Ursprung des Klangs 2013

Ein Rückblick auf die insgesamt acht Stationen der Seminar-Roadshow durch diverse deutsche Städte von Marcel Babazadeh, Internationaler Sales & Project Manager bei Lawo.

Ausgehend von Beobachtungen bei Klassik-Open-Air-Veranstaltungen der vergangenen Jahre, wuchs in mir der Wunsch nach einer tiefer gehenden Auseinandersetzung mit der Thematik des „guten Sounds“. Auf der technischen Seite scheint die Ausgangslage günstig, um mit bestmöglicher Qualität – und auf Basis ganz unterschiedlicher Konzepte – so gut wie jeder Herausforderung zu begegnen. Seitens der Konzeption spielt natürlich der menschliche Faktor eine ausschlaggebende Rolle. Hier hat man es mit einer Vielfalt an individuellen Persönlichkeiten zu tun, die sich im Bereich der Beschallung von Klassik-Events in Deutschland einen Namen gemacht haben. Um dieser Vielfalt in einem angemessenen Rahmen begegnen zu können und dies mit möglichst vielen interessierten Menschen zu teilen, haben wir von Lawo – zusammen mit unseren Kollegen von Sennheiser – diese Seminar- Roadshow erdacht. Mit acht Beschallungsprofis konnten wir uns letztendlich auf die Reise zum Ursprung des Klangs begeben. Dorthin, wo der Klang „geschmiedet“ wird: in die Werkstatt des Instrumentenbauers.
Dafür haben wir die Vertreter der Instrumentengruppen eines klassischen Orchesters besucht: Holzbläser, Blechbläser, Streicher, Schlagwerk, Tasteninstrumente sowie die menschliche Stimme. Im Nachhinein wurden diese Instrumente noch auf Zupfinstrumente und Vibrafon erweitert. Pro Station bekamen wir einerseits einen Einblick in die Arbeit der Instrumentenbauer, andererseits referierte der Beschallungsprofi für uns über ein Thema seiner Wahl. An allen Orten hatten wir das Glück, mit professionellen Musikern zu arbeiten, die in der Lage waren, uns das Instrument des Tages auch ansprechend vorzuspielen. Dadurch ergab sich zudem die Möglichkeit, Mikrofonierungsarten mit Martin Liermann (Sennheiser) auszuprobieren, aufzunehmen und mit den Teilnehmern vor Ort abzumischen.

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Vom Klang zum Sound

Als Brücke zwischen der Welt des Handwerks und derjenigen der Tontechnik gab es von mir bei jedem Termin einen Kurzvortrag mit dem Titel „Vom Klang zum Sound“. Diese Vorträge dienten dazu, die Grundlagen der Instrumentenkunde sowie der musikalischen Akustik zum jeweiligen Thema aufzufrischen. Im Zusammenwirken mit dem jeweiligen Musiker konnten viele Phänomene darüber hinaus sehr plastisch dargestellt werden. Jede Veranstaltung war gut besucht und wir hatten mit 12 bis 20 Teilnehmern eine Größe, die es noch erlaubte, persönlich mit den Teilnehmern in Kontakt zu treten und die vielen Eindrücke zu teilen. Natürlich wurden häufig Fragen zu ganz unterschiedlichen Themen gestellt, die offenbar zur Zufriedenheit aller Beteiligten beantwortet werden konnten. Am erfreulichsten war die Tatsache, dass es diverse Teilnehmer gab, die sich als „Wiederholungstäter“ entlarvten und bereits ein drittes oder sogar viertes Mal dabei waren. Der Facettenreichtum dieser Arbeit stellte sich in den Vorträgen der einzelnen Referenten besonders lebhaft dar und wurde bereichert von der Anwesenheit der Musiker sowie der Instrumentenbauer. An dieser Stelle waren sich alle einig: Je mehr man sich dem Instrumentalisten und seiner Klangerzeugung widmet, umso mehr kann man mit gegenseitigem Verständnis rechnen und womöglich auch mit der Bereitschaft, alte Gewohnheiten für eine Performance abzulegen. Zusätzlich zu den alltäglichen Herausforderungen sieht sich ein klassischer Musiker auf einer mit Beschallungstechnik ausgestatteten Bühne mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert – besondersunter freiem Himmel. In diesen Fällen kommt es darauf an, als Tonverantwortlicher etwaige Probleme schon im Vorfeld zu erkennen, zu besprechen und im besten Falle zu beheben. Natürlich spielt der Zeitfaktor hier eine immense Rolle – umso interessanter war es, dem Zeitmanagement-Vortrag von Martin Hildebrand beizuwohnen. Dieser skizzierte detailliert, wie aus der ersten Besprechung, einem Probenbesuch sowie der Abklärung des Repertoires irgendwann der Konzerttag erwächst, an welchem von der Anlieferung über den Soundcheck bis zum finalen Konzert im Grunde kaum Zeit bleibt, sich ausgiebig um den Klang zu kümmern. Es sei denn, man setzt sich von Beginn an dafür ein und verdeutlicht die Wichtigkeit seiner Aktivitäten gegenüber den Veranstaltern – nicht zum Selbstzweck, sondern zum Wohle des Ergebnisses.

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Klang durch Kommunikation

Ein anderer Aspekt ist die Kommunikation mit dem Dirigenten oder womöglich auch dem künstlerischen Leiter beziehungsweise Komponisten. Häufig muss man sich mit diversen Wünschen und Forderungen auseinandersetzen, die für die Ohren eines Tontechnikers äußerst ungewohnt klingen können. Diesen Menschen mit Respekt zu begegnen, ihre Wünsche zu übersetzen und ihnen gleichzeitig die Grenzen des technisch Machbaren oder des Materials zu verdeutlichen, ist für Norbert Ommer tägliches Brot. In seinem Vortrag blickte dieser zurück auf eine Vielzahl an Begegnungen und veranschaulichte dies auch anhand von Klangbeispielen, die sich teilweise fernab konventioneller Musik bewegten. Natürlich ist das System für die Musikübertragung ein wesentlicher Faktor für die Gesamtqualität. Sowohl Holger Schwark als auch Thomas Mundorf hoben diesen Aspekt besonders hervor und vermittelten beide das gleiche Ziel: ein möglichst lineares System, bei dem besonders der Bassbereich gegenüber herkömmlicher Beschallung stark gedrosselt sein sollte. Denn die Hörerwartung von verstärkter sinfonischer Musik unterscheidet sich fundamental von anderen Darbietungen. Daher muss das System einerseits in der Lage sein, einen sehr großen Dynamikbereich darzustellen, andererseits soll es an vielen Stellen nur unterstützend wirken. Der Direktschall kommt in den meisten Fällen zuerst vom Orchester. Deshalb muss zusätzlich zur frequenzabhängigen Forderung nach Linearität auch der zeitliche Faktor berücksichtigt werden. Dabei kommen sowohl Delay-Lines und Front- Fills ins Spiel, die in den richtigen zeitlichen Kontext gesetzt werden müssen. Dies ist mit Messgeräten und Software mit überschaubarem Aufwand zu realisieren, wie uns Holger Schwark eindrücklich zeigte. An dieser Stelle kommt das Thema der zeitlichen Einordnung der Mikrofonsignale auf den Plan. Carsten Kümmel gab mit seiner systematischen Herangehensweise diesbezüglich sehr anschauliche Beispiele – nicht zuletzt in Form eigener Livemitschnitte. Nach dem Ausrichten der Mikrofone werden die Signale auf einen virtuellen Nullpunkt verzögert. Mit der Addition verschiedener Hallebenen sowie der entsprechenden Panoramisierung entsteht ein unwiderstehlicher Stereoklang. Jeder einzelne Schritt erscheint für sich gesehen klein und aufwendig – in der Gesamtheit war sich jedoch jeder Teilnehmer einig, dass sich diese Mühe lohnt. Verfolgt man diesen Ansatz nun mit einem gesunden Maß an Kompromisslosigkeit, landet man schliesslich auf der Seebühne in Bregenz. Gernot Gögele konnte mit seinem Vortrag über das Richtungsmischen und die Wellenfeldsynthese – beides seit vielen Jahren in Bregenz Realität – jeden Zuhörer restlos faszinieren. Allein die Anzahl an Lautsprechersystemen (circa 80), die nur für die Verteilung des Klangs der Sänger auf verschiedene Zonen im Publikum eingesetzt werden, lassen jeden PA-Enthusiasten aufhorchen. Zudem sind diese Lautsprecher unsichtbar in das Bühnenbild integriert. Hinzu kommen Systeme für die Orchesterbeschallung sowie die Wellenfeldsynthese, welche den natürlichen Klang des Konzertsaals, in dem das Orchester tatsächlich spielt, im Zuschauerbereich abbilden. Zurück auf den Boden der Tatsachen brachten uns stets die lockeren Bemerkungen in den Vorträgen von Kelly und Werner Schmidl. Mit dem einfachen Credo „shit in, shit out“ ließ sich jeder Teilnehmer ein Lächeln von Werner Schmidl entlocken. Und Kellys Kommentar zum Thema Mikrofonierung lautete: „Das mit dem Klang ist ja alles schön und gut – wenn ich aber eine Rockband hinter der Geige habe, dann zählt nur dies: Pegel, Pegel und nochmals Pegel.“

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Runde Organisation

Dank der grandiosen Organisationsarbeit der Kollegin Doreen Andersson (Sennheiser) war zudem stets für das leibliche Wohl vor Ort gesorgt und die Teilnehmer, die teilweise von weit her kamen, bekamen bei Bedarf auch Hilfe beim Finden von Unterkünften. Mit Harry Heckendorf und seinem Team hatten wir bei jedem Termin ein professionelles Kamerateam dabei, deren Ergebnisse man sich heute anschauen kann. Auf der Webseite www.ursprung-des-klangs.de findet man unter der Rubrik „Rückblick“ Bilder und Videos der einzelnen Stationen.
Abschliessend lässt sich vermuten, dass die Begegnungen, die während der acht Termine stattfanden, vielfach nachwirken werden. Ob es sich um das Zusammentreffen von Seminarteilnehmer mit Referenten handelte oder um Begegnungen mit den Instrumentenbauern und Musikern – in allen Fällen entstand der Eindruck eines gleichberechtigten, gegenseitigen Interesses. Was will man mehr? Nicht zuletzt fungierte die Ursprung-des-Klangs-Reihe auch für uns als Hersteller von Mischpulten und Mikrofonen als interessanter Spiegel, da wir uns an vielen Stellen mit den Instrumentenbauern identifizieren konnten: Zum einen war das die Leidenschaft, die man als familiengeführtes Unternehmen gegenüber der Kundschaft und der Sache an sich aufbringt, zum anderen die Präzision, die benötigt wird, um den hohen Anforderungen der Anwender gerecht zu werden.

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Die Referenten
Bei den Referenten der Ursprung des Klangs-Tour 2013 handelte es sich um gute Bekannte aus der Beschallungsbranche:

- Norbert Ommer, der als Klangregisseur viel mit der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts in Berührung kommt und mit Größen wie Frank Zappa, Karl-Heinz Stockhausen und Heiner Goebbels zusammengearbeitet hat.
- Martin Hildebrand, der als Sounddesigner und Tonmeister als Spezialist für symphonische Großveranstaltungen gilt – egal, ob in Arenen oder im Rahmen von Open-Air-Veranstaltungen. Zudem fungiert Martin seit vielen Jahren als Ansprechpartner für das Schleswig-Holstein Musik Festival, eines der größten klassischen Musikfestivals der Welt.
- Holger Schwark ist nicht nur der FOH-Mann der Pet Shop Boys, sondern widmet sich unter anderem der Beschallung der Berliner Philharmoniker – nicht zuletzt auch auf der berühmten Waldbühne in Berlin.
- „Kelly“ war lange Zeit der Monitormann eines so genannten Stargeigers, der sich gerne mit Pyrotechnik und weiteren Elementen aus der Pop-Branche umgibt. Kelly bewegt sich elegant zwischen den Welten der Klassik und dem Rock.
- Thomas Mundorf besticht durch seine immense Erfahrung im Bereich der Beschallung und der Konzeption von PA-Anlagen für Großveranstaltungen. Was manche nicht wissen: Thomas ist ein leidenschaftlicher Mischer von klassischer Musik. Auch dabei sind ihm seine Fähigkeiten als Systemtechniker von großer Hilfe.
- Carsten Kümmel war FOH-Mann von Robin Gibb (Bee Gees) und ist ebenfalls tief verwurzelt in der Welt der Klassik. Carsten passt Mikrofonierungs- und Mixing-Philosophien aus dem Recording an die Anforderungen von Klassik-Live-Bühnen an. Zudem entwickelte er mit „Pandora“ ein bestechendes Panorama-Konzept.
- Gernot Gögele ist neben seiner Tätigkeit als Sounddesigner und Consultant maßgeblich an der Realisierung der Beschallung auf der Seebühne in Bregenz beteiligt. Man kann ihn durchaus als Bindeglied zwischen der Welt der Wissenschaft und derjenigen der Praxis bezeichnen, da er entscheidend zur laufenden Optimierung der Wellenfeldsynthese sowie des Richtungsmischens beiträgt.
- Werner Schmidl verlässt sich bei seiner Arbeit ausschließlich auf eines: seine Ohren. Werners geradlinige Art und seine entwaffnend puristische Herangehensweise machen ihn zu einem extrem sympathischen Tonmeister, der bei seiner Arbeit mit den Scorpions oder den Harlem Gospel Singers zu Höchstform aufläuft.

Weitere Informationen, sowie auch Bildaufzeichnungen der einzelnen Seminare sind unter: www.ursprung-des-klangs.de

Text: Marcel Babazadeh und Fotos: Lawo & Robert May