Swinging Bach

Ein faszinierendes Stadtfest in Leipzig zum 250. Todestag von Johann Sebastian Bach

Noch über zweijähriger Vorbereitungszeit fand am 28. Juli 2000 in Leipzig ein Stadt- und TV-Event statt, wie es ihn in dieser Form bislang nicht gegeben hat. Unter der Headline "24 hours Bach" wurden 24 Stunden Livemusik, Musikaufzeichnungen, Dokumentationen, Statements, Clips und Bach-News via Satellit weltweit ausgestrahlt. Gefeiert wurde das universale Werk des einzigartigen Komponisten Johann Sebastian Bach. Etwa 30 Länder übernahmen "24 hours Bach" komplett oder in Ausschnitten, wobei die gesamten 24 Stunden Bach in Frankreich, Dänemark, Griechenland und der Schweiz zu sehen waren. Weitere Ausstrahlungen des Events sind bis Jahresende in Europa und in den USA geplant.

Während der Gesamtveranstaltung "24 hours Bach" waren insgesamt rund 400 Musiker zu erleben, darunter sechs Orchester, sieben Ensembles, drei Chöre sowie 40 Solisten und Dirigenten. Dreh- und Angelpunkt des TV-Projektes war die Bachstadt Leipzig. Von hier aus wurde das gesamte Programm im Euro-Arts-Sendezentrum koordiniert und am 28. Juli 2000 ab 7.00 Uhr MEZ gesendet.

Ein Programmhöhepunkt des TV-Marathons war das Openair-Ereignis "Swinging Bach", das live vom Leipziger Marktplatz via ZDF auch in Deutsche Wohnstuben übertragen wurde. Topact war Bobby McFerrin, der zusammen mit dem Leipziger Gewandhausorchester seine Gesangskünste darbot und das Publikum begeisterte. Künstlerisch wirkten bei "Swinging Bach" unter anderem das Jacques Loussier Trio, das Turtle Island String Ouartet, Gil Shaham, Adele Anthony, German Brass und Jiri Stivin mit. Um einen reibungslosen Ablauf ohne großartige Umbaupausen zu gewährleisten, hatte man auf dem Leipziger Marktplatz, vor der wunderschönen Kulisse des alten Rathauses, zwei Bühnen aufgebaut, wobei auf der (von vorne gesehen linken) kleinen Bühne die kleineren Besetzungen auftraten, und auf der rechten, großen Bühne das Gewandhausorchester mit den Solisten zu sehen war.

Zur Beschallung des Marktplatzes wurde mittels Kranwagen über jede der beiden Bühnen eine Mono-Center-PA gehängt und verspannt, wobei die Meyer-Sound-Lautsprecherbestückung jeweils identisch war. Pro Bühne kamen somit vier aktive Subwoofer PSW-4, acht MSL-4 (aktive Mid/Hi-Systeme) und zwei UPA-1P zum Einsatz, was ein Gesamtgewicht inkl. Rigging von 1,151 pro Seite ergab. Am Boden waren je Bühne zwei aktive Subwoofer 650-P und zwei UPA-1P zur Nahfeldbeschallung positioniert. Als Center Frontfills wurden je Bühne drei UPM-1P eingesetzt. Auf der Rückseite des Regieturms und der beiden Beleuchtungstürme, die in einem Abstand von 50 Metern zur Gesamtmitte der Bühnenfront standen, waren jeweils drei Lautsprecher Meyer Sound UPA-2P als Delaysysteme gehängt. Am Frontplatz kamen zwei Konsolen Midas XL2OO zum Einsatz. Die Racks waren bestückt mit einem SIM-Analyser, einem BSS FDS-388, drei BSS TCS-8O4, vier Meyer Sound CP-20 Parametric EO, einem LD-1A Line Driver, einem Meyer Sound VX-1, einem Aphex Modell 720 Dominator II, einem BSS FCS-926, einem Lexicon PCM 70, einem Lexicon PCM 80, zwei Yamaha SPX990, einem Yamaha D5000, sechs dbx 160-AD Compressor/Limiter, einem DL-Audio Pre-Amp Compressor, einem BSS DPR-404, einem BSS DPR-901 II, einem dbx 120XP und einem Lexicon 480L. Bereits im Vorfeld wurde die Lautsprecherauswahl und ihre Ausrichtung von Thomas Züllich, Meyer Sound Lab., unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten mittels AutoCAD festgelegt und als Grundlage der verantwortlichen Beschallungsfirma ADAPOE zur Verfügung gestellt. Die Crew bestand aus FOH-Ingenieur Norbert Ommer und dem Technischen Leiter Jörg Blumenstein, Firma ADAPOE, Weimar, sowie dem SIM II-Engineer Thomas Züllich von Meyer Sound.


Interview mit Norbert Ommer

Dass bei einer so hochklassig besetzten Veranstaltung inklusive TV-Liveübertragung nicht irgendjemand den Mix erstellen kann, liegt auf der Hand. Keinem Geringeren als Norbert Ommer wurde diese hochsensible Aufgabe übertragen. Production Partner hatte am Veranstaltungstag Gelegenheit mit ihm zu sprechen.

Production Partner: Was kannst du speziell zu dem hier eingesetzten System sagen?

Ommer: Dieses Meyer Sound-System ist wirklich ein Allroundsystem. Für die klassische Musik eignet es sich besonders, da es im Array-Betrieb ausgesprochen linear ist und zudem sehr weit trägt. Zudem hat es ein sehr kontrolliertes Abstrahlverhalten. Das sind für mich die wesentlichen Parameter: Das Verhalten über das gesamte Frequenzband beim Zusammenfügen der unterschiedlichen Boxentypen, der Schalldruck über große Distanzen und natürlich auch das Impulsverhalten. Wenn man nicht ein solch präzises Impulsverhalten wie bei diesem System hat, können bei lauten Signalen, beispielsweise den Pauken, schon mal Schwierigkeiten auftreten. Der vollkommen lineare Frequenzgang ist gerade bei den natürlichen Instrumenten, wie einer Geige oder einem Klavier, extrem wichtig. Bei diesen Instrumenten fällt es sofort auf, wenn ein Glied in der Systemkette nicht funktioniert. Und der Lautsprecher ist nun mal das letzte Glied in dieser Kette. Es muss eben alles zu hundert Prozent stimmig sein. Das fängt bei der Positionierung der Mikrofone an. Natürlich fängt der Sound beim Künstler an, aber unser Job beginnt beim Mikrofon. Was wir hier machen, ist schon außergewöhnlich, nämlich die Nahabnahme von sämtlichen Streichern mit Kugelmikrofonen und nicht mit Pickups. Dazu verwenden wir speziell entwickelte Bügel. Ansonsten sind nur Schoeps- und Neumann-Kondensatormikrofone auf der Bühne, die man in dieser Menge wirklich selten verwendet. Allerdings funktioniert es sehr gut, wobei das Ensemble hier noch eine relativ kleine Besetzung, nicht mal Symphonieorchestergröße, hat. Ich habe mit dieser Art der Mikrofonierung schon zwei Symphonieorchester gleichzeitig in großen Arenen aufgenommen. Im Grunde ist es eine Mischung aus der üblichen Klassik-Mikrofonierung und einem Closemiking. Allerdings nicht in der Art und Weise, wie wir sie aus der Pop-Musik kennen, denn hier verwenden wir ausschließlich Kondensatormikrofone. Diese Art der Abnahme kennt man z. B. eher von Frank Zappa, der bereits vor 15 Jahren damit rumgebastelt hat. Zappa war ein großer Fan des amerikanischen Komponisten Edgar Varèse. Mit einem Ensemble oder Symphonieorchester hat Zappa dessen Stücke so aufgenommen, wie man es normalerweise in der Pop-Musik macht. Allerdings mit dem kleinen aber wesentlichen Unterschied, dass Zappa. Highend-Kondensatormikrofone verwendete. Dasselbe haben wir auch bei anderen Produktionen gemacht, beispielsweise bei "Yellow Shark", als Frank Zappa noch selbst dabei war, oder bei weiterführenden Tourneen. Live funktioniert diese Art der Mikrofonierung ausgezeichnet, aber nur unter der Voraussetzung, dass auch das letzte Glied in der Systemkette, nämlich der Lautsprecher, in der Lage ist, das Signal zu hundert Prozent wieder zu geben.

Arbeitest du ausschließlich mit Meyer Sound-Equipment?

Nein, natürlich nicht ausschließlich. Aber das Meyer Sound-System ist nun mal ein System, bei dem man sich weltweit auf die Kontinuität verlassen kann. Ob ich nun in New York, in Paris oder hier in Leipzig arbeite. Durch die momentan feste Konfiguration der Lautsprecher und der eingebauten Endstufe erzielt man überall und immer dasselbe, erstklassige Ergebnis. Das ist ein enorm hoher Vorteil. Darauf kann man sich einfach verlassen. Früher waren die Endstufen abgetrennt und da gab es viele verschiedene Variationsmöglichkeiten. Aber heute ist eine MSL-4 schon mal "State Of The Art". Und wenn ich diese Box bestelle oder mehrere davon oder ein ganzes System mit diesen Lautsprechern designe, weiß ich immer, was mich erwartet. Wie diese dann aufgehängt werden und was noch an Geräten dazwischen hängt, das ist eine andere Geschichte. Diese Kontinuität geht aber auch ebenso von den Midas-Konsolen, den Meyer Sound CP-10 oder den Schoeps-Mikrofonen aus. Da weiß ich einfach, was ich in der Hand habe und bin immer sicher, dass es funktioniert.

Gibt es spezielles Rackequipment, was bei dir quasi kontinuierlich im Einsatz ist?

Das Meyer Sound CP-10 ist eines meiner Lieblingsgeräte. Die Leute schauen immer etwas verwundert, wenn ich dieses Gerät bei anderen Lautsprechersystemen einsetze. Für mich sind die CP-10-Geräte ein Allheilmittel. Ich habe hier die Möglichkeit, sehr sehr eng zu arbeiten - nicht wie bei einem Terz-EO nur im Terzbereich, sondern bis zu einer Sekunde. Wenn ich an einem CP-10 drehe und eine gewisse Frequenz oder einen bestimmten Boost einstelle, weiß ich, dass es das Gerät auch macht. Optimal wäre ein CP-10 mit speicherbaren Parametern. Aber das kann ja noch kommen. Bei den übrigen Geräten gibt es natürlich gewisse Standards, die ich immer wieder anfordere. Dazu zählen das Lexicon 480er, 224er oder PCM70Version 2.0 sowie einige Top-Geräte von dbx, Furman oder BSS. Aber du machst ja nicht so viel mit dem Signal. Die Übertragungskette soll in der Klassik relativ linear sein. Wenn du dir hier die Kanalzüge der Midas-Konsole ansiehst, da ist nicht viel geschraubt. Bei einer Popnummer würde das ganz anders aussehen. Hier übernehme ich das Mikrofonsignal möglichst linear. Die Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Ausrichtungen der Mikrofone stimmen. Das hat etwas mit Arbeitsweise zu tun, aber auch mit Mikrofonierung.

Wie sieht es mit den Konsolen aus?

Midas-Konsolen zählen auf jeden Fall zu meiner ersten Wahl. Toll sind vor allem die Heritage 3000-Konsolen. Die klingen sehr gut. Was mich jedoch vor allem bei den analogen Konsolen interessiert, ist die Verknüpfbarkeit, was wir hier bei den XL2OO-Konsolen nicht ganz haben. Hier stehen mir gerade mal acht miteinander verbundene Mutegroups zur Verfügung. Dieses Pult gibt es auch in einer Konfiguration, mit der bis zu 99 Mute-Programme machbar sind. Bei dieser Show mit 80 Kanälen müsste ich das eigentlich haben. Aus diesem Grund verwende ich sehr gerne die Yamaha 3500er-Konsolen. Die arbeiten ausgesprochen ordentlich. Zudem sind sie im Verhältnis zu den großen Midas-Konsolen leichter und produzieren vor allem keine lauten Lüftergeräusche. Die Yamahas kannst du zudem mit Papst-Lüftern ausstatten lassen. Die Lüftergeräusche sind ein großer Nachteil bei den Midas-Konsolen, auch bei dem neuen Heritage 3000. Outdoor ist das kein Problem, aber in den großen Konzertsälen dieser Welt, ob Kölner Philharmonie oder Lincoln Center New York: Da kannst du ein solch lautes Netzteil nicht aufstellen. Richtig gespannt bin ich auf die neue große Yamaha Digitalkonsole PM-1D, auf die wir alle sehnsüchtig warten. Da hat man natürlich eine Menge guter Features, um eine solche Produktion optimal abzuwickeln.

Danke für das interessante Gespräch!

Production Partner, 10/2000