Auch der Tonmeister macht die Musik

Hendrik Manook ist Stipendiat der Internationalen Ensemble Modern Akademie / Abschlusskonzert

"Vorsicht, Stufe": Der Name von Hendrik Manooks ehemaliger Schülerband könnte heute als Motto seines Tonmeister-Stipendiums bei der Internationalen Ensemble Modern Akademie stehen. Tatsächlich ging und geht es für den 1979 bei Aachen geborenen jungen Mann auf dem Weg zum Tonmeisterdiplom zumindest mit dem künstlerischen und aufnahmetechnischen Niveau um einige Stufen höher hinauf.
Denn Manook, der an der für die Tonmeisterausbildung sehr renommierten Detmolder Musikhochschule studiert, hat nun eine lange Zeit in Frankfurt verbracht - unter den Fittichen von Norbert Ommer. Dieser ist der tonverantwortliche Klangregisseur und neben den Musikern gleichberechtigter Gesellschafter des nach wie vor demokratisch entscheidenden Ensemble Modern. Und der besonnene junge Student konnte seine Neugier stillen: "Über alles, was ich nicht verstanden habe und was mir unbekannt war, habe ich ihn ausgequetscht", erklärt Manook seinen Einstieg in ein von der Kunststiftung des Landes Nordrhein-Westfalen finanziertes Einjahresstipendium bei der Internationalen Ensemble Modern Akademie. Der Ingenieurssohn Manook, der ursprünglich mit einem Mathematikstudium geliebäugelt hatte, konnte dabei im Kontext der zeitgenössischen Musik sein Wissen ausbauen und Erfahrungen sammeln - und das in ständig wechselnden Anforderungsprofilen: Ist es doch gerade die zeitgenössische Musik, in der das rationale, das zahlenorganisatorische und das expressiv-emotionale Moment in der klanglichen Konkretion immer wieder neu reflektiert werden. Die Zeit beim Ensemble Modern war daher ein gefundenes Fressen für den Tonmeisterkandidaten Manook, der Lautsprecher, Mikrophone und den Raum selbst als seine Instrumente bezeichnet.

Die weitere Entwicklung seines Berufsbildes findet tatsächlich zum großen Teil in der zeitgenössischen Musik statt. Den Raum als kompositorischen Parameter selbst gestalten zu können ist seit langem ein musikästhetischer Traum. Entweder müssen neue Räume geschaffen oder aber akustische Mängel vorhandener Räume korrigiert werden. Die digitale Revolution hat zu ganz vielfältigen elektroakustischen und instrumentalen Erweiterungen geführt: Zuspielbänder wollen klanglich austariert werden, Live-Elektronik bedarf der sehr sorgfältigen Behandlung, damit die teils auch fragilen Werke nicht in ihre Einzelmomente zerfallen. In diesem Spannungsfeld von Komponistenintention und Verwirklichung wird der Tonmeister selbst zum Interpreten.

Sein Wissen und sein künstlerisches Einfühlungsvermögen sind entscheidend für das, was und wie man es zu hören bekommt. "Viele Komponisten wollen in der Aufführungssituation eine zu laute Umsetzung", weiß Manook etwa. Er versteht sich dann als Korrektiv.
Wenn jetzt bei den Abschlußkonzerten der Stipendiaten in der Internationalen Ensemble Modern Akademie beispielsweise "Anthemes 2" für Violine und Live-Elektronik von Pierre Boulez auf dem Programm steht, werden durch gut 240 Mausklicks während des zehnminütigen Stücks ganz unterschiedliche live-elektronische Prozesse zum real gespielten Klang hinzugefügt.
Harmonische Verschiebungen, zeitliche Veränderungen, Tonhöhenschwankungen und eine mit sich selbst konzertierende Dialogsituation obliegen Manooks Klangregie. Dabei darf kein Fehler passieren. Darin liegt ohnehin der Unterschied zwischen dem Studium und dem Stipendium beim Ensemble Modern: Fehler bei der Aufführung ruinieren den künstlerischen Ertrag.
So ist Manook von der Kombination der effizienten, auf Wirtschaftlichkeit stark achtenden und gleichzeitig künstlerisch professionellen Arbeitsweise im und mit dem Ensemble Modern begeistert. Diesen Ernstfall habe er in der Hochschule oft vermißt. Wie entspannt sein Tutor Ommer bei all den Anforderungen an Mensch und Material stets geblieben ist, ruft erneut Bewunderung in Manook hervor: "Mit zehn Fragen und zehn Ideen bin ich gekommen. Ich gehe mit hundert Ideen und hundert Fragen."


Internationale Ensemble Modern Akademie

Seit 2003 ist Norbert Ommer Dozent für Klangregie bei der Internationalen Ensemble Modern Akademie (IEMA).

Das Ensemble Modern, eines der weltweit führenden Ensembles für Neue Musik, vergibt im Rahmen seiner IEMA (www.internationale-em-akademie.de) und unter Förderung durch die Kulturstiftung des Bundes Stipendien an junge hochbegabte Musiker/innen aus Deutschland in den Bereichen Instrumentalspiel (Holz-, Blechbläser, Streicher, Schlagzeuger, Pianisten), Komposition, Dirigieren und Klangregie.

Die IEMA ist ein Forum für die Erarbeitung zeitgenössischer Musik in vielfältigster Form. Zudem kann die Arbeit der bedeutendsten Komponisten und Dirigenten, die regelmäßig beim Ensemble Modern zu Gast sind, unmittelbar miterlebt werden.

Die international ausgerichtete Akademie ermöglicht allen, die an der Neuen Musik beteiligt und interessiert sind, einen Austausch zwischen Musikern, Komponisten, Musikwissenschaftlern, Musikjournalisten, der ...ffentlichkeit und der Kulturpolitik.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Achim Heidenreich, 14.09.2005